Oberstleutnant a. D. Andreas Timmermann-Levanas und die Journalistin Andrea Richter ziehen in ihrem gleichnamigen Buch – erschienen 2010 im Campus-Verlag und als Band 1119 auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung – ein bitteres Fazit der sozialen Entschädigung für Kriegsopfer: „Deutschland hat sich eingerichtet mit den schweigenden und leidenden Veteranen und deren Familien.“
Worum geht es? Timmermann-Levanas war selbst Berufsoffizier in der Luftwaffe gewesen. Ende 2009 wurde er nach 24 Dienstjahren wegen einer einsatzbedingten „Leistungsfunktionsstörung“ als „dienstunfähig“ aus der Bundeswehr entlassen. Sein Buch beschreibt in bedrückender Dichte am persönlichen Beispiel die Schwierigkeiten, mit denen Berufs- oder Zeitsoldaten zu kämpfen haben, um eigene Versorgungsansprüche geltend zu machen.
Konkret wollte Timmermann-Levanas zunächst die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung oder PTBS*) infolge seiner Auslandseinsätze als Wehrdienstbeschädigung (WDB) gemäß Soldatenversorgungsgesetz (SVG) § 81 erreichen. Erst mit Anerkennung eines entsprechenden Antrages bei der Wehrbereichsverwaltung (WBV) ist damit ein Entschädigungsanspruch verbunden. Das Dilemma besteht darin, dass bei einem solchen Antrag die Beweislast grundsätzlich beim Antragsteller liegt! Die WBV holt zu dem Antrag medizinische Gutachten des Sanitätsamtes der Bundeswehr sowie zivile Gegengutachten ein; Berichte von Truppen- und Fachärzten aus dem Bundeswehrkrankenhaus haben dagegen nur „richtungsweisenden“ Charakter. Entscheidend für die Höhe der Versorgung ist der abschließend festgestellte Grad der Beschädigung: Die meisten WDB-Leistungen für Soldaten sind daran gebunden, dass dieser Grad mindestens 50 Prozent beträgt, was auch für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Einsatz-Weiterverwendungsgesetz gilt.
Die Laufzeit des Antrages im Falle von Timmermann-Levanas betrug 15 Monate. Während die Militärärzte ihm 60 Prozent WDB attestierten, stufte die WBV aufgrund eines Gegengutachtens diese auf Null Prozent herab. Begründung: Es liege keine PTBS vor, sondern eine Depression aufgrund des frühen Todes seines Vaters. Gegen diesen Bescheid legte Timmermann-Levanas Beschwerde ein, woraufhin das Sanitätsamt nach sechs vorliegenden Diagnosen innerhalb von 17 Monaten noch einmal den Sachverhalt überprüfte – 17 Monate, die vom Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in Beantwortung seiner Eingabe als „angemessen kurze Bearbeitungszeit“ beurteilt wurden! Jetzt kam die WBV zu der Feststellung, dass nun doch eine WDB vorliege, und zwar mit Beschädigungsgrad von 40 Prozent. Um die tatsächliche Höhe seiner Beschädigung endgültig feststellen zu lassen, reichte Timmermann-Levanas Klage beim Sozialgericht ein. Wegen des laufenden Rechtsstreits – so die WBV – könne nun aber keine Anpassung der Ruhegehaltsbezüge erfolgen. Dagegen wehrte sich Timmermann-Levanas erfolgreich mit einer einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts. Elf Monate nach seiner Entlassung erhielt er dann erstmals seine korrekten Bezüge!
Die Entlassung wegen „Dienstunfähigkeit“ in 2009 hatte als unmittelbare Folge, dass dem ehemaligen Stabsoffizier ausreichender Lebensunterhalt fehlte. Die ihm zugebilligte Pension machte nur knapp die Hälfte seines früheren Gehaltes aus, und es gab keinerlei Abfindung oder Einmalzahlung. Deshalb war sein nächster Schritt ein Antrag beim örtlich zuständigen zivilen Versorgungsamt gewesen, das ggfs. für die Zahlung einer Grundrente, Krankenkosten, Berufsschadensausgleich und berufliche Rehabilitation aufkommt. Allerdings – so der Verwaltungsweg – ist dabei die WBV „vorentscheidungspflichtig“, d. h. erst nach Abschluss eines WDB-Verfahrens durfte das Versorgungsamt den Antrag prüfen. Schließlich kam dann der Berufsförderungsdienst (BFD) ins Spiel, der für die Prüfung des Anspruchs und Bewilligung von beruflichen Weiterbildungs- oder Integrationsmaßnahmen zuständig ist.
Timmermann-Levanas hat 2009 gemeinsam mit einem ehemaligen Soldaten eine Selbsthilfegruppe gegründet, die Deutsche Kriegsopferfürsorge (DKOF), www.dkof.de. Er ist zugleich Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Bund Deutscher Veteranen (BDV)“, eine Organisation zur Betreuung und Unterstützung ehemaliger Bundeswehr-Angehöriger. Wie aus weiteren Einzelschicksalen erhellt, müsse – so der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe im April 2010 – fast unterstellt werden, „dass System dahinter steck[e], die Zahl der Anerkennungen künstlich niedrig zu halten.“
Es bleibt nur anzuraten, dass alle Zeit- und Berufssoldaten sich rechtzeitig über den Verwaltungsweg im Falle einer WDB sachkundig machen und Vorsorge treffen. Nur ein gezieltes und konsequentes Vorgehen kann verhindern, zwischen den Mühlsteinen der Wehrverwaltung zermahlen zu werden.
Dr. Lothar Greunke
——————-
*) PTBS ist in Deutschland durch den ARD-Spielfilm „Willkommen daheim“ erst ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Dunkelziffer der seelisch Verwundeten beträgt ca. 20000 Fälle.
Diskussion
Kommentare sind für diesen Beitrag nicht zugelassen.